Tim Wrede, ein befreundeter Schrauber aus dem vdh, seine Frau Uli, Michaela und ich waren im Oktober in Frankreich. Unser Ziel war der große Stau in Lapalisse, einem Städtchen in der Auvergne, mitten im Herzen Frankreichs. Wir folgten auf dem Hinweg der alten Nationalstraße 6 und auf der Rückreise der Trasse der N7, den ehemaligen Hauptverbindungsstraßen zwischen Paris und Lyon, oder auch Routes de Vacances wegen der Verkehrsströme, die sich zu Ferienzeiten in Richtung Mittelmeer bewegten.
Mit alten Autos auf den Spuren der Vergangenheit wandelnd, gestalteten sich sowohl An-als auch Abreise höchst interessant und abwechslungsreich, eine ausführliche Schilderung würde allerdings den gebotenen Rahmen sprengen. Ich will an dieser Stelle daher nur über Samstag, den eigentlichen Tag des großen Staus berichten.
Der große Tag! Der Himmel ist ausgerechnet heute bewölkt und die Temperatur liegt im niedrigen einstelligen Bereich. Früh am Morgen bringen wir die 20 Kilometer von Vichy nach Lapalisse hinter uns. Anlaufpunkt ist der Rastplatz „Aire des Verités“ vor dem Ortseingang. Hier fließt, wenn auch nur wenige Meter bis zum abgesperrten Bereich, noch der ganz normale Verkehr und wird durch die Veranstaltung doch erheblich beeinträchtigt. Wir dürfen auch ohne Teilnehmerplakette auf den Platz und erhalten sogar ein Willkommenspaket. Nach dem vom Veranstalter servierten „Petit Déjeuner“ im Autohof lassen Ela und ich die Göttin dann stehen und steigen zu Tim und Uli in die Flosse.
Bevor wir los können, gibt es noch reichlich Gelegenheit auch in Deutschland beliebte Fahrzeuge meist französischer Produktion, wie Citroën 11CV, 2CV, Ami6, DS, (fast) die gesamte Peugeot Modellreihe der Fünfziger und Sechziger, sowie Legionen von Renaults kleinen 4CV und Dauphine in allen denkbaren Erhaltungszuständen zu bewundern. Auch Juvaquattre oder Frégate, Floride, R8 - gern als Gordini Tuning Version, Alpine 110, fast alles mit dem Rhombus ist vertreten.
Aber auch hierzulande nahezu unbekannte Fahrzeuge wie die alten Simca8, Aronde aller Modelljahre, Ariane oder Vedette, sämtliche Panhard-Modelle der Nachkriegszeit, oder Ponton Ford Vedette mit dem „Aquilon“ 2,4-Liter Seitenventil V8 aus Vorkriegstagen sind zu bewundern. Echte Raritäten wie das Luftwiderstandswunder Panhard CD oder ein Rovin Kleinwagen sind am Start, und einen der ganz frühen Karmann Ghia mit den kleinen Nasenlöchern sieht man nicht einmal in Osnabrück alle Tage.
Freunde alter Nutzfahrzeuge gibt es natürlich auch. Im Schwerlastbereich sind neben heimischen Produkten wie Saviem, Unic und Berliet, besonders Scania aus dem hohen Norden häufig zu sehen. Die Lieferwagenliga wird von Citroën HY und Renault Estafette dominiert, der eine oder andere VW T1 Bus zeigt sich aber auch. Fahrzeuge aus deutscher Produktion bilden insgesamt eine kleine Minderheit im Starterfeld. Wir zählen außer unserem Gefährt nur 5 Benz, ein W 108, eine Pagode, eine W 110 230-Flosse, eine 220-Universal-Flosse mit Diesel-Motor und ein deutsches vdh-Mitglied, ebenfalls mit 220-Flosse. Etwas deplatziert wirkt ein C107, mit dem wären es sechs andere Sterne gewesen. Eher selten sieht man Volkswagen, auch Opel sind rar. Die französischen Ford Freunde sind immerhin mit ca. 10 Modellen vor Ort, darunter ein in unseren Breiten völlig unbekannter Futura, ein fast ebenso exotischer Zephyr und ein in diesem Zustand ultraseltener, weil fast laden neuer P7a 20mTS, die ungeliebte „Kaufhausgeschmack“-Zwischenserie mit dem Hüftschwung, die nur ein dreiviertel Jahr 1967/68 gebaut wurde.
Kleinere deutsche Hersteller wie Borgward, DKW oder Porsche (weißer Rabe: ein 356), oder gar Vorkriegsfahrzeuge vom Schlage Horch, Wanderer oder Adler sind totale Fehlanzeige. Das gilt auch für zivile Fahrzeuge aus dem (Ost)europäischen RGW-Raum. Wolga und Lada treten nicht in Erscheinung, genau wie Wartburg oder Trabant. Ein russischer Schwimmwagen mit authentisch uniformiertem Personal steht allein auf weiter Flur. Von den britischen Inseln kommen dagegen Rolls Royce, Jaguar MK2 und E-Type, diverse MG und auch Triumph TR. Aus Italien sieht man ganz wenig, was nicht verwundern darf, Simca ist ja aus der Fiat Vertriebsorganisation für Frankreich (SAFAF) hervorgegangen. Die Simca8 sind eigentlich Fiat mit französischen Sonderkarosserien gewesen und die 9Aronde wurde gemeinsam mit dem Fiat 1400 entwickelt. Etwas noblere transalpine Hersteller wie Lancia oder Alfa Romeo trifft man nur sehr vereinzelt, genau wie Fahrzeuge aus schwedischer Produktion. Japaner gehörten nicht nur in Frankreich in den Sechzigern überhaupt nicht zum Straßenbild und fehlen schon deshalb gänzlich. Über dem großen Teich entworfene Fahrzeuge sind präsent, gefühlt aber seltener als hierzulande. Beliebt wie überall sind die BelAir aus der Tri-Chevy Serie oder Mustang von Ford, ein rares Edsel Coupe ist zu sehen. US-Amerikanischen Ursprungs sind auch die meisten der präsentierten Militärfahrzeuge, wobei aber heimische Erzeugnisse, sowie geländetaugliche Produkte aus KdF-Wolfsburg nicht fehlen.
In die Kategorie bemerkenswerter Sonderfahrzeuge gehören eine komplett entlackte Feuerwehr mit Vercingetorix Kühlerfigur, nicht abknickbar(!), die heute als Wohnmobil dient, oder ein zum selben Zweck umgerüsteter MB Reisebus, sowie das skurrile Mécanophone auf Basis eines Vorkriegslastwagen von Citroën, das per Pressluftfanfarenorgel die Massen mit französischen Klassikern erfreut.
Teil II mit weiteren Fotos von Stefan R. folgt...